Novembertraum

Ich muß einkaufen gewesen sein. Ich gehe irgendwo, vielleicht in Berlin, unter einem großen blauen Himmel. Plötzlich sind am Horizont Flugzeuge zu sehen. Sie sind riesig, obwohl sie noch sehr weit weg sein müssen. Sie fliegen akrobatisch durcheinander, sie scheinen zu segeln wie Vögel. Sie werfen gigantische kreuzförmige Bomben und ich kann am Horizont große Explosionen sehen.

Ich renne nach Hause, das heißt zu meinen Eltern. Ich denke daran, dass wir gestern Afghanistan den Krieg erklärt haben. Aber das kann nicht sein, woher haben die denn die riesigen Flugzeuge? Sie kommen schnell näher, der ganze Himmel ist voll und unter ihnen fallen, sich langsam drehend, die Kreuze.
Ich will zu meiner Tochter Lena, ich muß bei ihr sein. Ich komme nach Hause, treffe meine Eltern im Vorraum, der aus Beton ist, und denke, wir sollten in den Keller gehen. Um das Haus herum erzittert die Welt und ich weiß, auch im Keller können wir sterben. Durch die Glastür sehe ich Josi, sie sitzt auf dem Boden, es scheint vor dem Fernseher, obwohl ich nicht glauben kann, dass der noch geht. Ich denke an die alten Gebäude in der Straße unter den Linden, die den letzten Krieg, bis auf ein paar Narben, überstanden haben. Ich denke an den Reichstag. Ich weiß, das alles ist jetzt Schutt. Ich finde das kurz traurig.
Meine Eltern sagen, daß es Vergeltung ist. Sie wissen auch nicht, woher die Flugzeuge kommen, aber es ist irgendwie scheißegal, die Bomben sind jetzt überall. Wir setzen uns auch auf den Boden. Lena ist da. Sie macht sehr große Augen. Josi und ich liegen uns in den Armen. Ich blicke in den Himmel. Alles ist voll Rauch, aber nur oben, und die Wolken bewegen sich merkwürdigerweise wellenförmig. Es sieht sehr bedrohlich aus.

Plötzlich bin ich auf einer freien, von schrägen Betonwänden eingesäumten Fläche mit einem Wellblechdach. Bekannte von mir sind hier. Ich erkenne Jana Drescher und Andreas Strutz. Alle rauchen. Ich sage laut, dass wir bald keine Zigaretten mehr haben werden. Alle sehen das Problem und viele wollen zum nächsten Kiosk gehen, der nicht weit entfernt ist, um sich einzudecken. Ich will nicht von hier weg. Die Bomben scheinen uns zu verfehlen. Ich freue mich, dass ich so weit im Norden von Berlin wohne, und nicht im Zentrum. Als uns die Bomben nicht mehr verfehlen, sind wir nicht tot. Sie explodieren nicht. Stattdessen tauchen um uns herum Scharfschützen, Spezialeinheiten, auf. Sie sehen aus wie amerikanische Delta-Forces. Wir fliehen, über Berghänge und durch Täler. Die Scharfschützen sind sehr sorgfältig. Ich sehe wie sie Handgranaten auf die Menschen in den Tälern werfen. Ich staune, wie einige besonders gute Werfer die Handgranaten nehmen und zurückwerfen. Es scheint ein Spiel zu sein. Die Soldaten werfen mehrere Handgranaten gleichzeitig und die Angegriffenen, es sind Punks, müssen sehr geschickt sein, um alle rechtzeitig zurückzuwerfen. Ich gelange zu einem flach abfallenden Hang. Hier sind viele Menschen und es sieht aus wie auf einem riesigen Zirkusgelände. Ich nähere mich einer gekrümmten Gestalt, die auf einem Baumstumpf kauert. Als ich mich zu ihr setzte, setzt sie sich plötzlich auf meinen Schoß. Es ist ein Mann, ein Clown mit langen schwarzen Haaren, der eine Maske trägt. Er beißt nach mir. Ich beiße zurück. Plötzlich dreht er den Kopf und auf der anderen Seite seines Kopfes taucht ein Gesicht mit einer anderen Maske auf. Und wieder dreht sich der Kopf und wieder trägt er eine andere Maske. Es sind Masken die abwechselnd lustig und böse aussehen, manche bedrohen mich und manche scheinen mich zu verlachen. Währenddessen schlingen sich seine Beine immer fester um mich und ich verspüre eine große Erregung, die, wenn ich eine Frau wäre, noch viel stärker wäre, glaube ich. Der Clown beißt nach meinem Ohr.
Plötzlich taucht neben uns ein Polizist auf, in einer VP-Uniform, er sieht verstört aus und fragt, ob wir heute schon ein Gebet für den Frieden gesprochen haben. Keiner hat das.
Der Polizist geht wieder. Ich gehe auch, über den nächsten Bergrücken ins nächste Tal.