Tanger haben wir schnellstmöglich verlassen und erreichten Chefchouen per Bus. "Chefchouen", von Insidern "Chouen" genannt, heißt, "schau die Gipfel". Das ist genau das, was alle sagen, wenn sie zum ersten mal die wunderschönen spitzen Berge sehen, die neben der Stadt aufragen und zufällig einen Begleiter haben, der zufällig im Besitz seines Augenlichtes ist.
Chefchouen ist wunderschön und "tranquilo", das sagen einem auch alle und wir können es bestätigen.
Es gibt kein Kino, nur einen Videobeamer im Zentrum für andalusische Studien, mit dessen Hilfe wir mal einen chinesischen Unterhaltungsfilm mit französischen Untertiteln und einer englischen Einführung für deutsche Touristen sahen, die von dem muttersprachlich arabischen Filmvorführer gehalten wurde. Dieser man war sehr feierlich und konnte die Größe der Ehre gar nicht genug unterstreichen. Allerdings nicht die Ehre, uns zu sehen, sondern die chinesische Ärztedelegation aus dem Krankenhaus Mohammed V., was der Opa des regierenden Königs ist.
Leider kamen die Chinesen viel zu spät.
Am Ende des 3stündigen Epos, welches sich etwas diffus mit dem Thema Liebe im modernen Peking beschäftigte, waren wir fast allein mit dem feierlichen Filmvorführer in der Kasbah. Die Kasbah ist eine kleine Burg, die vom letzten marokkanischen Verteidiger der Stadt erbaut wurde, als die Spanier mit der Konquista drohten. Die Spanier kamen und siegten und Abu wurde mittels Eisenketten mit Handfesseln an den Boden der Kasbah gekettet. Die Spanier entließen den Norden Marokkos 1954 in die Unabhängigkeit und alle erwarteten wahrscheinlich, dass die Chefchaouener nun diesen Schandfleck von Gebäude schnellstens aus dem Stadtbild tilgen würden. Aber nein. Die Kasbah steht noch und spendet Schatten auf dem Patz Uta el-Hammam. Sie beheimatet ein Stadtmuseum und das Zentrum für andalusische Studien. Das letztere hatte uns besonders neugierig gemacht.
Am Eingang der Kasbah prangt ein vergilbtes Schild:
"Ausländer: 10 Dirham.
Marokkaner: 10 Dirham aber Freitags umsonst.
Schüler: 2 Dirham. (Die Schüler müssen in Begleitung eines Erziehers sein und eine beglaubigte Bescheinigung des Ministeriums für Bildung vorweisen können, die bestätigt, daß sie sich auf einer Bildungsreise befinden.)"
Bildungsreise. Mmmh. Wir waren wegen Lolles roter Mallorca-Mütze klar als Ausländer zu erkennen und bezahlten dementsprechend. Wenn man die Kasbah betritt, sieht man als erstes eine schiefe Holz-Bühne vor einem leeren Swimmingpool in der Mitte eines etwas vernachlässigten Gartens. Die Gefängnisräume sind rechts. Sie sind ziemlich verschimmelt und dunkel, die Lampen sind leider aus. Auch wurden die Beschriftungen von den Wänden abgenommen, wahrscheinlich weil man sie ohne die Lampen ja doch nicht lesen kann. Die eisernen Handfesseln sind noch erkennbar und werfen ein ganz schlechtes Licht auf die Spanier. Wenn man weiter geht, aus dem Muffigen ins Freie, ein Holztreppchen hoch, einen langen Gang entlang, die äußere Verteidigungsmauer zur Linken, gelangt man zu einer abgeschlossenen Holztür, an der ein Schild angebracht ist. Darauf steht:
"Alle Besucher des Museums müssen eine gültige Eintrittskarte besitzen. Diese müssen sie auch beim Verlassen des Museums vorzeigen können."
Sonst nichts. Abstrakt.
Die ganze äußere Mauer besitzt einige Nischen und Räume, die alle mit Leitern, Stangen, Eimern, Gerüsten, kaputten Stühlen und anderen Sachen vollgestellt sind. Es kommt einem so vor, als könne der Museumsdirektor nichts wegschmeißen, man weiß ja nie, wozu ´s gut sein kann.
An einer Stelle sieht es so aus, als sei der Boden eingestürzt. Auf dem Grund der Grube liegen ein paar Cola-Büchsen, dort unten ist alles vermoost und verschüttet. Man erkennt eine Art Gewölbe. Die Stelle ist eingezäunt und mit einem vergilbten Schild beschriftet:
"Wie diese Ausgrabungen zeigen, befinden sich unter der Kasbah bestimmte Konstruktionen."
Stimmt genau. Das Schild hat Recht. Außer vielleicht, dass man keine Grabe-Spuren sehen konnte. Am ehesten noch eine Sprengung.
Was es sonst noch so gab ? Eine Ausstellung über marokkanische Trachten, alles Photos und offensichtlich von einer Schulklasse mit Lehrer gestaltet, so dass auf dem Photo mit der Bildunterschrift "Alter Weiser aus Chefchouen" ein knapp 10jähriger Knabe gelangweilt und doof aus einem viel zu großen Kostüm glotzte.
Chefchouen war gemütlich und nett, die Leute haben alle gekifft, die Männer im Café und die Frauen wahrscheinlich zu Hause mit ihren Kindern.
Alles in allem: Prädikat "Empfehlenswert".
Aber nicht alle gleichzeitig hinfahren, dann sind die Souvenirs so schnell alle.