Weihnachtsgeschichte

Am Nachmittag des 24. Dezembers schließt der Weihnachtsmann jedes Jahr pünktlich um 17.00 Uhr seinen Schuppen auf, holt den Schimmel heraus und gibt im einen Haufen schimmeliges Heu in eine Krippe. Vielleicht hält er das für witzig, wer weiß. Dann überprüft er den Schlitten auf Funktionssicherheit und fettet die uralte Deichsel und die Federn etwas nach. Es ist klirrend kalt bei ihm im hohen Norden und der Weihnachtsmann hat bald kleine klingende Zapfen im Bart. Kurz darauf leert er zum letzten Male in diesem Jahr den Briefkasten und sortiert die Briefe nach der Stadt und dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens. Er murrt und flucht dabei und schimpft bei krakeligen Absendern laut los. Dann hustet der alte Schimmel vor Schreck und isst einige Sekunden später kummervoll weiter. Er hat es schwer, er muss den Schlitten über Gebirge und Ebenen ziehen, meist in großer Eile und mit wenig Proviant. Und in Amerika muss er immer ein unbequemes Rentierkostüm tragen in dem es stinkt wie in einem alten ranzigen Wäschekoffer.

Dieses Jahr sortierte der Weihnachtsmann unter B wie Berlin und P wie Presber meinen Brief ein. Er freute sich kurz über sie schöne Briefmarke und die saubere markante Handschrift und nahm einen großen Schluck Grog aus einer roten Thermoskanne, die ihm Weihnachstfrau zurechtgemacht hatte.

Genau zur selben Zeit stieg viel weiter südlich, in Berlin-Mitte, ein BWL-Student in seinen weißen VW Passat. Er trug eine warme gefütterte rote Jacke, eine dicke rote Hose und einen Plastik-Vollbart, der immer leicht schief saß, feucht und klamm war und irgendwie dreckig aussah. Er überlegte kurz, ob er den Bart nicht beim Fahren absetzen solle, aber dann tat er es all der Kinder zuliebe nicht, die ihn im Vorbeifahren sehen und ihm zuwinken würden. Er versuchte noch kurz, den Bart mit Hilfe des Rückspiegels zu richten, aber gab es bald auf und zündete sich eine Zigarette an. Er war nervös und aufgeregt und hieß Karim.

Irgendwann zwischen Ende November und Anfang Dezember, neuerdings auch schon mal kurz nach Ostern erwacht der Geist der Weihnacht in einem Bett aus Buche auf einer Matratze, die auf Birkenholzlatten liegt, aus einem unruhigen Schlaf. Er träumt von Auslagen voller Lebkuchenherzen und Dominosteine und selbst wenn die Augustsonne noch am Himmel brennt, kann er nicht mehr schlafen und wälzt sich unruhig im Bett herum. Es ist ein sehr, sehr alter Geist und man munkelt, er habe früher, in geistreicheren Zeiten schon andere Namen und gehabt und andere Dinge getan. Der Geist der Weihnacht ist meist in ziemlich lauer Stimmung. Er läuft eine Weile in Unterhosen durch sein Holzhäuschen, versucht sich an einige weihnachtliche Lieder zu erinnern, summt sie dann missgelaunt vor sich hin und sucht seine Socken. Langsam kommt er aber in Stimmung. Er ist ein netter Geist, voller lustiger Ideen und immer mit einem freundlichen Augenzwinkern auf Tasche. Im Dienst ist eigentlich völlig ohne Form und Gestalt, aber das ist ihm meist zu langweilig und so nimmt er, wenn er unterwegs ist, oft die Form eines kleinen rollenden Rauchwölkchens oder einer übermütig tanzenden Schneeflocke an. Der Geist der Weihnacht spricht nicht eine Sprache, nicht zehn und auch nicht hundert. Der Geist der Weihnacht spricht überhaupt nicht, er begnügt sich mit subtilen Hinweisen und Andeutungen wie Liedchen vom Bäumchen, die er einem zart ins offene Ohr säuselt wenn man schläft, bei meinem Freund Myrgo nimmt er vorher vorsichtig das Ohropax raus. Wenn das nicht reicht, wird er deutlicher. Man kommt nichtsahnend aus der U-Bahn und wird hart von einem kleinen niedlichen Kind in einem Autoscooter angefahren. Der Geist der Weihnacht hat dafür gesorgt. Weihnachten macht keinen Sinn, wenn nicht alle mitmachen. Bei hartnäckigen Fällen helfen rennende brennende Tannenbäume und Armadas von fliegenden zuckerstaubenden Mandelstollen, die den Dissidenten durch die engen Straßen Berlins neuer Mitte verfolgen. Aber zugegeben, das ist selten. Der Geist der Weihnacht ist unter uns und er ist schon seit langem unterwegs. Er hilft uns, nett zueinander zu sein und den Baum geschmackvoll zu schmücken. Er kann natürlich nicht überall gleichzeitig sein.

Jetzt war er gerade unterwegs in der Ritterstrasse in Kreuzberg, als er das Geräusch einer Computertastatur hörte. Taste um Taste zuckte er zusammen und in seinem Gesicht machte der Ausdruck unendlicher Güte widerwillig dem Ausdruck unbarmherzigen Hasses Platz. Langsam bildete sich in der Ritterstraße 11 ein kleines giftgrünlich leuchtendes Rauchwölkchen.

Währendessen war die 6-jährige Jovanka kurz davor, ihren langgehegten Traum zu verwirklichen, dem Weihnachtsmann ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Sie misstraute dieser vorgesetzten Autoritätsperson mit dem so offensichtlich falschen Bart und der leichten Schnapsfahne schon lange. Bis jetzt hatte sie noch keine Beweise in der Tasche, aber sie würde ihn finden und sie würde ihn jagen, und wenn sie dreimal um den Erdball müsste, sie würde diesen Kerl überführen und dann würde sie ihn eigenhändig vor ihre Eltern schleifen, ihnen das zappelnde Bündel triumphierend präsentieren, brutal den Bart herunterreißen und rufen: "Könnt ihr mir DAS vielleicht erklären ?" Sie hatte ihr kleines hellblaues Fahrrad geputzt und wintertauglich gemacht und die Stützräder von ihrem spottenden Bruder wieder anmontieren lassen. Sie hatte das geschluckt und sich still gedacht, dass sie dieses Jahr diejenige sein würde, die zuletzt laut lacht. Sie hatte sich ihre dicke Jacke angezogen und 3 Lebkuchen und eine Flasche Karottensaft in ihre Brottasche getan. Jetzt stand sie hinter einer Ulme auf der Lauer.

Karim war währenddessen schon bei 10 Familien gewesen. Er hatte in Neubauwohnungen Kinder mit riesigen angsterfüllten Augen beschert, hinter denen ein Paar Eltern mit stolzgeschwellter Brust saß. Sobald er den Mund aufmachte, hatten die Kinder meist hysterisch angefangen zu schluchzen und manche hatten versucht, sich unterm Sofa zu verkriechen, was die Eltern noch stolzer machte. Er war in Einfamilienhäusern gewesen, wo man ihn, ganz alternativ mit an den Tisch gebeten hatte und er panisch ein-zwei Bissen heruntergeschluckt hatte, den Blick immer auf der erbarmungslos rasenden Uhr. Einmal hatten sich alle verschwörerisch angesehen, sogar die ganz Kleinen, so als kannten sie alle das Geheimnis seiner Krankheit, nur er selber nicht. Er hatte sich hoffnungslos verlaufen und die Namen der Kinder verwechselt. Die Kindern fanden das sehr lustig, aber die Eltern guckten meist böse und beleidigt. Karim sprach gut deutsch und hatte den Aufnahmetest der TUSMA-Weihnachtsmänner ohne Probleme geschafft, aber das ganze Geplapper wollte ihm noch nicht so recht über die Lippen. Einmal war er bei einer Großfamilie, da waren fünf Kinder, eines davon komplett gelähmt im Rollstuhl und alle Anwesenden schon ziemlich benebelt von Cognac und die Kinder bekamen alle unglaublich viele Geschenke; Hügel, Berge, Bergketten von Geschenken. Das Tohuwabohu war unbeschreiblich. Die ganze Zeit über blickte ihn Sarah aus ihrem Rollstuhl in der Ecke so begeistert und glücklich an, das er unter seinem Bart ganz rot wurde. Dann als die beiden Jute-Säcke sich dem Ende näherten wurde ihm schlagartig bewusst, das für die kleine im Rollstuhl nix dabei gewesen war. Er konnte es kaum glauben. Niemand schien sein Entsetzen zu bemerken. Er versuchte sich zu erinnern, ob er nicht wenigstens etwas Schokolade in den Taschen hatte, aber da war nichts. Er ging zögernd zu Sarah und streichelte sie sanft. Sie gluckste auf und fiel fast aus ihrem Stuhl. Dann ging er und hätte im Flur am liebsten Feuer gelegt. Jetzt musste er zu Familie Neumann in Karow und Familie Neumann wohnte in Nummer 18f. Er konnte aber nur 18e und 18g finden, genau nebeneinander. Die 2 Passanten, die an ihm vorbeihuschten, winkten ihm lieb zu, aber konnten ihm nicht helfen. Endlich sah er Haus 18f, es lag einsam zwischen lauter 60er Nummern auf der anderen Straßenseite. Er war erschöpft, verzweifelt und unglaublich müde. Kaum traute er sich, auf den Klingelknopf zu drücken. Er war über eine Stunde zu spät. Sofort als er gedrückt hatte ging im Hausflur Licht an.

Der Weihnachtsmann war noch nicht fertig. Er versuchte immer noch, den großen, grün eingepackten Traktor, den sich irgendein Bauer in Magdeburg gewünscht hatte, auf den zweiten Schlittenanhänger zu hieven. Dem Schimmel wurde schwarz vor Augen und er überlegte, ob er sich irgendwo eingraben sollte, aber der Boden war hart gefroren, also aß er lieber noch etwas Heu. Die Nase des Weihnachtsmannes hatte langsam ihre typische Rotfärbung angenommen, die man von den Bildern auf den Weihnachtskalendern kennt. Frau Holle begann auf einmal, ihre Betten auszuschütteln und der Schimmel seufzte still und deprimiert. Es war Zeit für ein offenes Gespräch mit seinem Chef, aber der Alte hatte im Moment wohl keinen Nerv dafür. Der Schimmel fühlte sich unendlich alt. Wieso hatte man gerade ihn auserkoren, mit dem Weihnachtsmann in der Verbannung zu leben ? Mein Geschenk lag schon klein und zierlich auf dem ersten Anhänger. Der Weihnachtsmann hatte alle Ruhe der Welt während Weihnachtsfrau, Weihnachtssohn und Weihnachtstochter im Haus Geschenk um Geschenk verpackten und auf die Rutsche legten, die zum Fuhrplatz hinabführte. Der Weihnachtsmann fluchte und begann eine Rampe aus Schnee zu bauen.

Der Geist der Weihnacht war währenddessen im Büro der Bürogemeinschaft "united", wo an einem Schreibtisch in der Ecke ein junger Mann um die 30 mit qualmender Zigarette und gehetztem Gesichtsausdruck saß. Er hieß Bernhard und war bemüht, die Webseiten der neuen Endemol-Fernsehproduktion namens "TV-Chirurg" fertig zu stellen. Das Konzept : Ärzte führen vor laufender Kamera Schönheitsoperationen durch und das Publikum entscheidet anhand von Vorher-Nachher-Bildern per Telefon, welche Patienten weiteroperiert werden und welche nicht. Das Konzept kam allen Beteiligten von der ersten Minute an total bescheuert vor, nichtsdestotrotz versprach es ein riesiger finanzieller Erfolg zu werden. Der junge Mann fluchte unablässig und rauchte Kette. Alle fünf Minuten rief seine Freundin an, die als Geschenk verpackt zu Hause saß und kein Verständnis dafür hatte, dass er jetzt war, wo er jetzt war. Genauso wenig wie der Geist der Weihnacht. Der beherrschte sich aber mühsam in seinem Zorn und besann sich darauf, dass er ja ein lieber Geist mit viel Nachsicht war. Er schlich sich leise von schräg hinten an Bernhard heran, und säuselte leise "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum" in sein Ohr. Bernhard zündete sich noch eine Zigarette an, und steckte sie zur ersten in den Mund. Dann tippte er weiter. Der Geist der Weihnacht entzündete auf dem Fileserver hinter ihm ein Räucherkerzchen und sang dazu schon ziemlich laut "Leise rieselt der Schnee". Bernhard goss sich Kaffee nach.

Jovanka hatte schon all ihren Proviant aufgegessen und von W. immer noch keine Spur. Es schneite wie von Sinnen. Jovanka begann, Figuren in den Schnee zu stapfen und "Alle Jahre wieder" zu singen, gegen die Kälte. Die Mutter rief von oben nach ihr. Man konnte meilenweit hören bei dem klaren kalten Wetter. Alles war still und schläfrig. Aber Jovanka blieb wo sie war und man hätte sie schon wegschleifen müssen. Dies war ein Job und sie war verdammt noch mal entschlossen, ihn zu erledigen.

Genau das dachte auch der Weihnachtsmann, als er seinen Schimmel auf die Beine brachte, der eine Ohnmacht vortäuschte und alle viere nach oben da lag und die Augen verdrehte. Der Weihnachtsmann war nicht willens, sich die Tour von dem Gaul verderben zu lassen. Er tat so, als wolle er ihm mit seinen schweren Stiefeln in den Bauch treten und der Schimmel wich entsetzt aus, nur wenig, aber gerade genug um sein Theaterspiel auffliegen werden zu lassen. Verächtlich schnaubend stellte er sich wieder hin und versuchte, einen Pferdeapfel fallen zu lassen. Aber nichts geschah.

"Wissen Sie, wie spät es ist ?" fragte der Mittvierziger mit der markanten Nase Karim. Ja um neun. "Sie sollten acht hier sein, was denken Sie wie lange die Kinder ruhig bleiben, na ja nicht zu ändern kommen sie hier hoch und ich will ihnen noch ein paar, na ja, Regieanweisungen geben, ich bin selber Schauspieler, also sozusagen vom Fach haha, also wenn sie reinkommen, erst Schuhe ausziehen (meine Schnürstiefel ??? dachte Karim) wegen dem Teppich und dann laut ‚HOHOHO' rufen genau drei mal, die Kinder erwarten das, der Weihnachtsmann muss ‚HOHOHO' machen und nichts anderes. Sie sind es so gewohnt. Dann sagen Sie das mit dem vom Walde und so, und achten Sie darauf, dass sie die ganze Zeit in Richtung Tür sehen, da stehe ich nämlich und filme alles, und da will ich ja nicht lauter Rücken draufhaben und dann sagt Hans sein Gedicht auf, loben sie ihn ruhig, er ist letztes Jahr sehr gut in der Schule gewesen, meine Frau bietet ihnen eventuell Sekt an, aber den nehmen Sie keinesfalls an, weil wissen Sie ich finde der Weihnachtsmann trinkt meiner Meinung nach keinen Sekt höchstens Grog , aber auch nicht im Dienst, haha, und dann gebe ich ihnen irgendwann ein Zeichen, so hier mit dem Ringfinger, und dann müssen sie ganz spontan die Videokamera nehmen, ohne dass ich was dazu sage, und dann filmen SIE MICH wie ich meiner Frau ihr Geschenk gebe, hier das ist der Sack und die Geschenke ohne Beschriftung erkläre ich ihnen dann. Karim war inzwischen ins Wohnzimmer getreten, ohne die Schuhe auszuziehen. Drei Kinder riefen müde im Chor "Oh der Weihnachtsmann !" Ob sie geübt hatten ? Wahrscheinlich.

Der Geist der Weihnacht war kurz vor dem verzweifeln. Bernhard ignorierte die brennenden Kerzen, den Knabenchor und die Weihnachtspyramide, die direkt auf dem Monitor stand. Es war ein Kerzenmeer, das da vor Bernhard wogte, es hatte viel von einer Kathedrale. Die Tastatur war jetzt so mit der neuen Orgel im Eingangsbereich verdrahtet, dass er beim Tippen weihnachtliche Melodien von Brahms spielte. Leider ohne es zu bemerken. Der Geist der Weihnacht, zog jetzt den Netzstecker, Geist hin Geist her. Er baute sich DIREKT vor Bernhard auf und schrie ihm schrill Stille Nacht heilige Nacht ins Gesicht. Als riesige lachende Fratze schwebte er vor Bernhards Gesicht.

Alle Geschenke waren vertäut und festgezurrt, nur waren alle Thermoskannen leer und der Weihnachtsmann hatte großen Hunger. Also ging er stapfend rauf zur Weihnachtsfrau, etwas essen und trinken.

Karim wankte aus der 18f wie von einer schweren Prüfung. Der Mann war ganz zufrieden gewesen, hatte er gesagt, außer diese und jene Kleinigkeit, aber er habe da auch sehr hohe Ansprüche. Karim fuhr langsam und die Lippen fest um die Zigarette geschlossen durch Blankenburg. Als er durch die Uhlandstraße kam, erblickte ihn Jovanka am Steuer. Er würde ihr nicht entkommen. Sie schwang sich auf ihr Rad und trampelte ihm hinterher. An der nächsten Kreuzung wurde sie leicht von einem Opel Corsa angefahren, der von rechts kam, aber was will das schon heißen. Jovanka lag keuchend im Schnee, der ihre Finger langsam erstarren ließ. Karim hatte die Szene im Rückspiegel gesehen und bremste scharf und schlingernd. Im Nu war er bei ihr und beugte sich über sie, sein Bart baumelte fast in ihrem verbissenen Gesicht. Der Corsafahrer hielt sich schlotternd zurück.
Karim rief "Hey, Mensch Mädchen was machst Du denn, passt Du nicht auf beim Fahren? Und warum bist Du nicht zu Hause um die Zeit?" Statt einer Antwort trat ihn das kleine Mädchen sehr hart ins Schienenbein und sagte eiskalt "Du bist überhaupt nicht der Weihnachtsmann, Du bist irgendein anderer Mann, aber nicht der Weihnachtsmann, weil es keinen Weihnachtsmann gibt! Verstanden?" Karim war nicht in der Stimmung, sich mit dem Mädchen zu streiten, also sagte er "Ja, o.k., stimmt, hast mich erwischt, ich bin Karim aus dem Irak und den Weihnachtsmann gibt's nicht in echt. Sorry, Kleine, tut mich voll leid. Kommst Du mit und bist mein Weihnachtsengel. Den gibt's natürlich auch nicht, aber die Kleinen Kinder wissen es noch nicht."
Jovanka willigte sofort ein, ihr Groll war verflogen, der Junge sah nett aus, sie kannte sich aus, sie hatte ja Bravo, und er war kein Betrüger, er war ganz klar ein Schauspieler. Das ist etwas völlig anderes, wie ein jeder weiß, und zudem bot er ihr die Möglichkeit einer schauspielerischen Tätigkeit. Nicht zu verachten das. Sie stieg zu ihm ins Auto, säuberte ihre Schuhe, rückte seinen Bart zurecht und blickte professionell engelhaft.

Nach dem Essen war der Weihnachtsmann müde. Er legte ein wenig den Kopf auf den Tisch und die Weihnachtsfrau tat ihm liebevoll ein Kissen unter sein schweres Haupt.

Bernhard ging 23.30 Uhr nach Hause, er würde es vielleicht gerade noch zum Heiligabend schaffen. Der Geist der Weihnacht sah schlimm aus. Er rauchte gerade Bernhards Kippen auf. Das ganze Büro war voller Gänse und Karpfen, durch die rauchgeschwängerte Luft sah man einen Haufen Tannenbäume in der Ecke rumstehen. Die Wände waren voller Fresken von Krippenspielen und der Geist der Weihnacht lag auf der Couch und weinte. Dann rollte er als kleine Rauchkugel durch einen Spalt im Fenster und suchte sich in einer stillen verlassenen Wohnung in Berlin-Mitte ein Plätzchen auf einem gemütlichen Sofa. Weit und breit war kein Kranz, kein Baum und kein leuchtender Fensterschmuck. Nur Schneegestöber vor dem Fenster. Ruhe.

Als Karim und Jovanka mit der restlichen Runde fertig waren, auf der sie als Weihnachtsmann-Engelchen-Päarchen bezaubert hatten, gingen sie noch seinen Kühlschrank plündern. Als sie sich auf das Sofa setzen, um zu essen, durchströmte sie ein so wohliges Gefühl, dass sie laut auflachten. Der Geist schlief weiter. Als Karim Jovanka nach Hause fuhr, war die Polizei schon da, alles war furchtbar hektisch. Nach einer Stunde Erklärungen mit Händen und Füßen aber kam alles ins Lot. Beim Abschied sagte Jovanka leise "Tschüs Weihnachtsmann." Und grinste Karim mit breiter Zahnlücke an.

Der Weihnachtsmann ist dieses Jahr nicht gekommen. Er hat geschlafen, im Kreise seiner rotgekleideten pausbäckigen Familie. Morgen früh wird er aufstehen, dem schadenfroh grinsenden Schimmel einen Tritt androhen und alles für das nächste Jahr vorbereiten. Einmal muss es ja klappen.