Im wirklichen Leben ist nicht immer alles, wie man es gern hätte. Wenn ich als BGS-Geheimpolizist mit einer Enduro-Maschine auf ein Auto voller schwerbewaffneter Rumänen mit Schmuggelzigarillos zurase und dann kurz davor eine Judorolle zu Seite mache, damit das Motorrad auf der Motorhaube des Dacia explodiert und die Schmuggler unsanft stoppt, passiert garantiert irgendetwas Peinliches. Benzin alle, bestimmt. Oder es nieselt gerade und ich kann durch meine Brille nicht so richtig erkennen, wo ich eigentlich hinfahre. Das wäre natürlich für die Schmuggler ein riesen Gaudi, wenn ich Vollgas mit vorgeschobenem Unterkiefer an ihnen vorbeirase. Es kommt tatsächlich immer so, wie man es nicht braucht.
Genauso, oder zumindest sehr ähnlich ist es mit elektrischen Geräten. Unsere Waschmaschine war ein ehrwürdiges Ostgerät, aus einem Stück gefeilt und von Schülern im PA-Unterricht zusammengebaut und gelötet. Gerade das hätte ihr eigentlich zu sehr langem Leben verhelfen sollen, eben Handarbeit. Aber einer von euch hat da geschludert, ich nicht, ich habe ja nur Rasierapparate gebaut, die ich allerdings auch nicht unbedingt selbst hätte benutzen wollen, jedenfalls explodierte unsere Waschmaschine eines Tages unter ensetzlichem Gestank. Nur als Beispiel. Wir hatten auch schon einen Kabelbrand und einen Fernseher, den man über zwei Stunden an- und wieder ausschalten musste, damit er funktioniert. Sie alle haben uns verlassen, nur unser Kühlschrank namens dkk 130, eigentlich muesste er ja "Eskimo deluxe" oder so heissen, denn er ist auch aus dem Osten, brummt noch immer vor sich hin. Übrigens kann auch dkk 130 eine ganze Menge heissen, z.B. "Dies ist Kein Kühlschrank 130" oder "Du Komischer Kauz 130". Nie werden wir es wissen, die Unterlagen sind sicher alle vernichtet, die Verantwortlichen hinter Schloß und Riegel. Jetzt ist ja Rechtsstaat. Aber ich schweife ab.
Ich komme nach Hause und Scheffi steht, seinen riesigen Körper nur sehr widerwillig bückend, vor dem Kühlschrank. In der Hand hält er Werkzeuge und auf dem Kühlschrank liegen noch welche. Mir wird Angst und Bange um den Kühlschrank. Ein Hammer ? Wozu denn ein Hammer? Er sieht mich lange ernst an und sagt : "Ich muß mit Dir reden. Bitte, stelle nie wieder unabgedeckte Lebensmittel in diesen Kühlschrank. Das enthaltene Wasser verdunstet, kondensiert und gefriert an dem Kühlkörper. Ich habe es satt, den Kühlschrank ewig und immer auf's Neue abzutauen."
Komisch, ich kann mich garnicht erinnern, ihn jemals den Kühlschrank abtauen gesehen zu haben. Aber ich bilde mir ein, kurz nach Weihnachten hätte ich selbst vor dem altertümlichen Gerät gekniet und wie ein Blöder Eisstücken mit der blosen Hand hinter dem Kühlkörper hervorgeholt. Dabei friert einem ständig die Haut an. Ich sage "Naja, ich habe ihn auch schon mal abgetaut...", aber Scheffi lacht nur bitter: " Du ? Den Kühlschrank abgetaut ? Du meinst, Du hast meine Butter geklaut. Das ist möglich." Das ist zwar durchaus möglich, trotzdem platzt mir fast der Kragen. Ich wohne hier wohl mit Hans Geiz unter einem Dach. Die Lebensmittel stehen zu Pyramidchen aufgeschichtet hinter ihm auf dem Küchenschrank und freuen sich, dass es so schön warm ist. Die Butter zerfließt fast vor Wonne. Auf dem Kühlschrank liegt eine Rohrzange. Ich frage mich wozu. Warum nicht z.B. ein Schweißgerät ? Scheffi sagt düster "Man muss nachhelfen. Allein kann das 4-5 Tage dauern. Oder länger. Bis dahin ist alles schlecht." Und fährt mit der Enteisung fort. Ich bin stumm. Scheffi ist im Gesicht schon ganz zugeeist.
Fünf Minuten später ruft eine seiner zehn Freundinnen, die zusammengerechnet vor kurzem das Alter von hundertundsechzig Jahren erreicht haben, an und er muss weg, ohne seine heldenhafte Tätigkeit zu Ende ausgeführt zu haben. Er sortiert seine Sachen wieder in den Kühlschrank, lässt den Kühlschrank abgeschaltet und entschwindet ins Ungewisse.
Am nächsten Morgen ist in der Küche ein kleiner See. Man tritt genau hinein, wenn man früh mit Socken in die Küche kommt. Der See ist kalt und klar, nur bei den Mülltüten ein bisschen schmutzig. Aber ich denke, wenn man den aufwischt kriegt man womöglich noch einen elektrischen Schlag. Das will ich nicht und gehe sorgsam am Ufer des Sees entlang zur Kaffemaschine. Wenn man jetzt den Kühlschrank aufmacht, schleudert einen die Flutwelle bestimmt rückwärts gegen den Schrank. Ich beschliesse, nur Kaffe zu trinken. Die anderen müssen was ähnliches gedacht haben, denn am nächsten morgen ist der See noch da. Nur etwas grösser. Himmel, was sich da an Wasser angesammelt hat! Wurde echt mal Zeit, den Kühlschrank abzutauen. Ich hangele mich am Küchenschrank lang zum Wasserkocher. Links von mir schwimmt ein Barsch. Ich denke so bei mir, das ist ja eigentlich ganz hübsch. Bald haben wir hier in der Küche Schilf und Seerosen. Am Fenster ist ein tosender Wasserfall in den Hof, wir machen einen kleinen Bootsverleih auf und unternehmen romantische Mondscheinfahrten zum Gemüseregal, mit kichernden Fräuleins an Bord. Oder eben mit todernsten alten Männern, je nach Geschmack und Laune. Es passiert ja sonst nix spannendes bei uns. Wir sind, glaube ich, einfach zu alt für spannende Sachen. Haupsache gesund, meist nicht mal das, aber davon ein anderes mal. Höchstens, daß mal Putz vom Haus abfällt und Myrgos Motorrad zerbeult. Das war nämlich so:
Ein Sturm stürmte draußen wie von Sinnen, alles flog, auch die Omas unter 50kg ohne vollen Einkaufsbeutel oder Hund wurden erbarmungslos nach Osten abgetrieben. Dann fiel Myrgos Motorrad um. Dann flog eine große Matratze los und landete direkt auf dem Motorrad. Worauf sich wie durch einen geheimnisvollen Mechanismus, verbunden mit einem, den Augen verborgenen Getrieberad im Uhrwerk der Welt, ein ca 20kg schweres Stück Putz von der Hauswand löste und auf die Matratze sauste, unter der das Motorrad lag und sich sicher sehr über die ganze Aufregung wunderte.
Als Myrgo am nächsten Tag mit gewaltbereiter Miene vor der Tür der Hausbesitzer stand, das sind der schnurrbebartete Zootierhandlungsbesitzer Herr Jenkel und seine Frau, verstanden die wohl kein Wort, waren aber ganz nett und verwiesen ihn an ihre Haftpflichtversicherung. Myrgo fotografierte also sein ehemaliges Motorrad aus allen Blickwinkeln und schrieb eine Art Bericht über die Ereignisse, sicher nicht ohne hier und da etwas gequält den Kopf zu schütteln. Den Bericht und die Photos bekam die Versicherung.
Die, in Gestalt ihrer Sachbearbeiterin Frau Topaloglu, wollte natürlich ein Gutachten von einem Experten. Der erste Experte sah sich alles an und sagt: "Nenene, so hat sich das ja wohl nicht zugetragen, Beule im Tank, na schön und gut, aber ihre Geschichte ist hanebüchen." So oder so ähnlich. Myrgo protestiert, den Tränen nahe, läuft zu den Jenkels, die sagen "Mmmh naja, was solln wa machn" und Myrgo schreibt an die Versicherung, "Soundso, das ist passiert, jetzt aber echt, hier die Photo-Love-Story, jetzt laßt doch ma endlich dit Jeld rübawachsn."
Nichts geschieht. Dann schien sich jemand erbarmt zu haben, Experte Nr.II von der Dekra meldet sich, er will Photos und ein Treffen. Er ist sehr nett und kooperativ, macht die dritte Photoserie und stellt mit seiner Aktenmappe die Lage der Matratze nach. Irgendwie packt er die Ersatzmatratze aber UNTER das Motorrad, wie als ob es sich schlafen gelegt hätte und kratzt sich nachdenklich am Kopf. Als Myrgo ihn darauf hinweist, daß die Matratze AUF dem Motorrad gelegen hat, ist er vollends verwirrt.
In seinem Bereicht wird später stehen, daß Myrgo behauptet hat, die Matratze sei aus dem Nachbargrundstück über den Zaun geflogen und hätte das Motorrad kaputt gemacht. Er hält das aus sachverständiger Sicht für wenig plausibel. Myrgo plant, dem Sachverständigen eine Herde wütender Elefanten aus dem Tierpark über sein Auto zu jagen. Das soll er dann mal erklären.